Was in Ländern wie den Vereinigten Staaten längst der gängige Weg ist, stellt in Deutschland auch kein Randphänomen mehr dar: Die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Rund 60 % der deutschen Arbeitnehmer bauen sich mittlerweile zusammen mit ihrem Arbeitgeber eine private Zusatzversorgung zur staatlichen Altersrente auf. Das Modell bAV hat Zukunft. Während sich der Arbeitgeber über die verstärkte Mitarbeiterbindung freut und so dem Fachkräftemangel im eigenen Betrieb entgegenwirkt, ist der Beschäftigte in der Lage durch Techniken wie der Entgeltumwandlung fürs Alter zu sparen ohne es deutlich im Portemonnaie zu spüren. Der deutsche Staat befürwortet private Altersvorsorge und macht dies mit entsprechenden Anreizen wie Steuerfreiheit für einen Teil der eingezahlten Beiträge deutlich. Dennoch ist der Anteil der betrieblich Altersversicherten in Deutschland zu klein. Besonders für Beschäftigte in eher geringer vergüteten Berufen war bAV bisher kaum ein Thema.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz, in Kraft getreten seit 2018, soll unter anderem diesen Umstand ändern. Arbeitgeber werden vom Staat gefördert, wenn sie Arbeitnehmern mit einem Einkommen von maximal 2.200 € brutto einen jährlichen Zuschuss zwischen 240 € und 480 € zahlen. Hierbei beträgt die staatliche Förderung der Zuschüsse ganze 30 %! Besonders problematisch für Geringverdiener war bisher, dass die zusätzliche Altersrente in der Bezugsphase als Einkommen an die eventuell bezogene Grundsicherung angerechnet wurde. Auch das ist mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz passé. Ab 2018 gilt ein Freibetrag, das heißt betriebliche Rentenzahlungen bis 208 € bleiben unberücksichtigt und können gleichzeitig zur vollen Grundsicherung empfangen werden.
Des Weiteren wurde der Förderrahmen von 4 % auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung West erhöht. Im Jahr 2018 ist ein Arbeitnehmer somit in der Lage, bis zu 6.240 € steuerfrei in die bAV einzuzahlen. Sozialversicherungsfrei sind immerhin 3.120 € an entrichteten Beiträgen.
Unverbindliche Modellrechnung bei einer Entwicklung von 6 % p. a. für einen Angestellten mit einem Brutto- Einkommen von 2.200 €:
Netto- Verdienst | 1.600,07 € |
Nettoaufwand | 125,97 € |
Steuerersparnis | 52,93 € |
Sozialversicherungsersparnis | 47,19 € |
Entgeltumwandlung | 226,09 € |
Arbeitgeberzuschuss | 33,19 € |
Neuer bAV- Beitrag | 260,00 € |
Mögliche mtl. Rente | 722,49 € |
Auszahlungsbetrag | 1.373,98 € |
Eine weitere Neuerung bevorteilt vor allem den Arbeitnehmer. Wird ein Vertrag mit Entgeltumwandlung abgeschlossen, mit dem der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge spart, so muss dieser seinem Angestellten einen pauschalen Zuschuss von 15 % des umgewandelten Betrages zahlen. Diese Regelung gilt für neue Verträge ab 2019 und für bestehende ab 2022.
Ein Novum ist auch die gesteigerte Flexibilität. Diese hat gerade bei Ruhezeiten wie Sabbaticals oder Elternzeit in der Vergangenheit gefehlt, was immer wieder zur Kritik am Modell bAV geführt hat. Mit dem neuen Gesetz besteht die Möglichkeit, bei Wiederaufnahme der Arbeit, einfach nachzuzahlen. Für jedes Jahr ohne Gehalt können bis zu 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in den Vertrag fließen und das sogar für eine maximale Fehlzeit von 10 Jahren.
Zugegeben, die bAV ist eine Form der privaten Vorsorge, die manchmal schwer zu durchblicken ist. Schuld daran sind komplizierte rechtliche Detailregelungen, mit denen sich der juristische Laie oft überfordert fühlt. Auch hier greift der Staat durch. Schwerfällige Berechnungskonzepte wie die sogenannte Vervielfältigungsregel nach § 3 Nr. 63 EStG wurden geändert und simplifiziert. Die Vervielfältigungsregel besagt, dass der Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Unternehmen Abfindungen bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei in die bAV einzahlen konnte. Diese Höhe der Steuerfreiheit wurde nach bereits gezahlten Beiträgen und der Beschäftigungsdauer bestimmt – eine Kalkulation, die zeitraubend und aufwändig anzustellen war.
Ab 2018 werden einfach die Jahre im Angestelltenverhältnis mit 4 % der Beitragsbemessungsgrenze multipliziert. Auch hier sind, wie bei der Nachzahlungsoption, 10 Jahre die höchstmögliche kalkulatorisch verwendbare Größe.
Trotz der zunehmenden Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge ist das Vorsorgekonzept bei weitem nicht allen Arbeitnehmern bekannt. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass der Arbeitgeber keine diesbezügliche Informationspflicht gegenüber seinen Angestellten hatte. Das heißt: Der Beschäftigte musste auf seinem Chef zugehen und aktiv nach bAV fragen und den Abschluss eines Vertrages anstreben. Dieses Prinzip wurde mit der neuen „Opting out“- Regel umgekehrt. Nun muss der Arbeitgeber seine Angestellten eigeninitiativlich anmelden. Erst wenn der Arbeitnehmer widerspricht, nimmt er nicht an der betrieblichen Vorsorge teil. Voraussetzung für dieses Prinzip ist ein Tarifvertrag, aber auch nicht tarifgebundene Unternehmen können sich selbstverständlich an den tariflichen Regelungen ihrer Branche orientieren.
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wird die bAV zwar nicht neu erfunden, aber dennoch beträchtlich erneuert, vereinfacht und subventioniert. In Zukunft wird die bAV der gängigste Weg der privaten Vorsorge für Angestellte sein. Bei keinem anderen Produkt wird staatliche Bezuschussung und die Nutzung von Steuervorteilen so gewinnbringend kombiniert. Ein Arbeitgeber, der auf Dauer erfolgreich neue Mitarbeiter gewinnen und bestehende halten möchte, ist auf die Bereitstellung von bAV angewiesen. Gerade jetzt, wenn diese Altersvorsorge noch nicht alle Unternehmen erreicht hat, wird sie vom Arbeitnehmer als erwähnenswerte und oft wegweisende Zusatzleistung empfunden, welche das entscheidende Zünglein an der Waage bei der Wahl des Betriebes sein kann.
Dennoch ist und bleibt es ein äußerst beratungsintensives Vorsorgemodell, allein im Hinblick auf die zahlreichen möglichen Durchführungswege und die Vielzahl der Anbieter.
Artikel von Tristan Süß